Das Entfernen einer alten Amalgamfüllung ohne Kofferdam ist
kein Behandlungsfehler, wenn dessen regelgerechte Anwendung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht möglich ist – so ein aktuelles Urteil des Landgerichtes Aachen. 
Dokumentation verhinderte Schmerzensgeld.

Geklagt hatte eine Patientin auf 50.000 Euro Schmerzensgeld für die ihr durch die zahnärztliche Behandlung entstandenen Schmerzen und Beeinträchtigungen.

Der Fall
Eine gebrochene, 2-flächige Amalgamfüllung an 38 wurde unter Einsatz von zwei Saugern entfernt, die cp exkaviert und  anschließend eine Kunststofffüllung gelegt. Während der gesamten Behandlung war auf die Anbringung eines Kofferdams verzichtet worden; die Patientin hatte nach der Entfernung der insuffizienten Füllung die Gelegenheit, ihren Mund auszuspülen und mögliche, noch vorhandene Reste auszuspucken.

Der Vorwurf
Nach Auffassung der Patientin hätte der Zahnarzt beim Entfernen der Füllung behandlungsfehlerhaft unsorgfältig gehandelt, da er auf die Verwendung von Kofferdam verzichtete.
Dies sei ursächlich für eine Amalgam- bzw. Quecksilbervergiftung gewesen. Nach der Behandlung habe sie schwarz-silberne Amalgamstücke ausgespuckt.

Bereits einen Tag nach der Behandlung hätten sich zunehmend massive körperliche Beeinträchtigungen gezeigt wie geschwollene Gliedmaßen und Gesicht, starker Husten, erhebliche Bewegungseinschränkungen, starke krampfartige Schmerzen im Brustkorb sowie Taubheitsgefühle in Fingern und Füßen.

Sie bedürfe nunmehr der Pflege und leide psychisch aufgrund der Ungewissheit hinsichtlich der Besserung ihres Zustandes. Schließlich hätten die Beschwerden trotz zahlreicher
Behandlungen durch verschiedene Ärzte nicht abgenommen.

Über den Verzicht auf Kofferdam hinaus habe der Einsatz der Anästhesie, das Aufbohren der Füllung sowie ein sonst unvorsichtiges Vorgehen zu ihren Beschwerden geführt.

Die Gegendarstellung
Hinsichtlich des Vorwurfs auf Verzicht von Kofferdam gab der behandelnde Zahnarzt an, dass dessen Verwendung aufgrund des weit subgingival liegenden kariösen Defektes nicht möglich gewesen sei. Zudem habe auch schon Quecksilber durch die vor der Behandlung bereits gebrochene Amalgamfüllung aufgenommen worden sein können.

Das Urteil
Ohne an dieser Stelle näher auf alle Anklagepunkte einzugehen: Das Gericht wies die Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes zurück.

Das Behandeln ohne Kofferdam sahen die Richter aus anatomischen Gründen nicht als Fehler an, denn Zahn 38 wies eine weit distale Lage auf und der Defekt reichte gemäß der Röntgenbilder interdental weit subgingival.
Aus technischen Gründen war daher eine regelgerechte Anwendung des Kofferdams mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht möglich.

Fazit
Es liegt kein Behandlungsfehler vor, wenn der Zahnarzt in Ausnahmefällen keinen Kofferdam verwendet, sofern er das anhand der anatomischen Ausgangslage begründen kann.

Da die Richter für ihr Urteil auch die Ausführungen des Sachverständigen herangezogen haben, der wiederum seine Annahmen u. a. unter sorgfältiger Auswertung der Krankenunterlagen plausibel begründet hat, zeigt sich einmal mehr die Bedeutung einer lückenlosen Dokumentation in der Patientenakte für die zahnärztliche Praxis.

Für die gegebenen Informationen liegt Haftungsausschluss vor.

Quellen:
Christmann, Ph: Zahnarzt darf Amalgam ver wenden und bei Amalgamentfernung ausnahmsweise auf Kofferdam verzichten:
LG Aachen 22-03-2018. Abruf am 04.06.2019
unter https://dejure.org/dienste/vernetzung/
rechtsprechung?Text=11%20O%2097/16

Urteil des Landgerichts Aachen, 11 O 97/16.
Abruf am 04.06.2019 unter https://www.justiz.
n r w. d e / n r w e / l gs / a a c h en/l g _ a a c h e n /
j2018/11_O_97_16_Urteil_20180322.html